Interview Elisabeth Brandau (DE)

 Interview Elisabeth Brandau

Seit vielen Jahren ist sie eine der beständigsten Sportlerinnen in den höheren Ranglisten dieses Sports. Das Besondere daran ist, dass Elisabeth Brandau dies mit drei Schwangerschaften verbunden hat. Die heute 39-jährige Deutsche schaffte es auch zu den Olympischen Spielen, wo sie als Mountainbikerin teilnahm. Heute arbeitet sie hauptsächlich als Trainerin, wo sie versucht, andere Menschen durch ihre eigenen Erfahrungen und ihr Wissen besser zu machen. In diesem Interview erzählt sie Ihnen mehr über ihre Karriere und über all die Erfolge und Herausforderungen, die damit verbunden waren.


Sie sind eine erfahrene Cyclocross-Fahrerin. Wie hat sich der Sport in dieser Zeit entwickelt?

Ich finde es toll, dass der Sport für Frauen immer mehr Zuspruch bekommt. Es ist zwar schade, dass Cyclocross nach wie vor hauptsächlich in den Benelux-Ländern stattfindet, aber ich glaube, die UCI versucht ernsthaft, den Sport international auszubauen. Ich erinnere mich noch genau an die Zeit, als es für weibliche Jugendliche gar keine Rennen gab. Wir sind damals das erste Testrennen gefahren – und ich durfte als Juniorin nicht einmal an der WM teilnehmen. Heute ist der Sport bereits in den Nachwuchskategorien deutlich professioneller aufgestellt. Besonders die Möglichkeit, dass Cyclocross vielleicht einmal olympisch wird, gibt Hoffnung

Du hast an den Olympischen Spielen im Mountainbike teilgenommen. Wie war die Vorbereitung und die Erfahrung für dich?

Darüber könnte ich ein ganzes Buch schreiben. Es war nicht nur Freude – sondern auch viele Enttäuschungen. Besonders im Umgang mit Frauen, die nach einer Schwangerschaft zurückkehren, gab es große Lücken im System. Jedes Mal musste ich wieder bei null Weltranglistenpunkten starten. Es gibt keine klare Regelung, wie Mütter nach einer Babypause wieder einsteigen können. Andere Sportarten wie Reiten sind da viel weiter: Dort dürfen Athletinnen ein Jahr später mit ihren Punkten weitermachen – im Radsport leider nicht.

Ich habe es trotzdem geschafft, mich innerhalb eines Jahres bis in die Top 8 vorzukämpfen. Das war ein Highlight. Aber es gab auch viele Rückschläge. 2016 hieß es, man müsse über den gesamten Olympia-Zyklus präsent sein – ich hatte allerdings durch die Schwangerschaft eine Pause eingelegt, obwohl ich eigentlich qualifiziert war. 2020 hätte ich gut vorbereitet sein können, doch dann kam Corona und die Spiele wurden verschoben. 2021 habe ich mir den Startplatz selbst erkämpft – sogar zwei für das Team. Als ich dann krank wurde und signalisiert habe, dass ich eine Pause nach den ersten Frühjahrsrennen in 2021 brauche , wurde das ignoriert. Stattdessen hat man versucht, mich aus dem Team zu drängen als ich dann vor Olympia nicht so fit war und eine Sportlerin besser war. Das war enttäuschend. Noch mehr weil die Sportlerinnen selbst kein Respekt zeigten, Nina Benz rief mich 2 Tage vor der Abreise an ich solle doch sie fahren lassen, sie habe nun das Ersatzticket weil sie ein Rennen schneller war. Das hätte ich mir nicht getraut.

Ich habe mich durchgebissen und gesagt: Ich fahre. Aber dieser olympische Flair, den man sich erhofft, war für mich nicht da. Deshalb wollte ich eigentlich 2024 nochmal angreifen. Körperlich war ich nach der dritten Geburt schnell wieder stark – teilweise sogar stärker am Berg als manche, die nach Paris gefahren sind. Aber bergab hatte ich Schwierigkeiten, vielleicht durch hormonelle Umstellungen oder einfach durch die enorme Belastung als dreifache Mutter ohne Sponsoren. Ich musste alles gleichzeitig stemmen: Training, Alltag, Kinder, Finanzen.

Rückblickend habe ich erkannt, dass ich oft gegen ein System gekämpft habe, das starken Frauen wenig Platz lässt – insbesondere im deutschen Radsportverband. Viele sprechen nicht darüber, aber ich bin nicht die Einzige mit solchen Erfahrungen.

Du kombinierst Mutterschaft mit Leistungssport. Welchen Rat würdest du anderen Frauen geben, die das auch vorhaben?

Man braucht ein gutes Umfeld und starke Nerven – aber es ist machbar. Ich habe alles alleine organisiert, ohne Team im Rücken. Das war sehr hart. Kein Team hat geglaubt, dass ich vorne mitfahren kann. Und als es dann soweit war, war ich selbst unsicher, ob es mit Kindern in einem UCI-Team überhaupt funktioniert – es hieß oft, Kinder dürften nicht mitkommen, oder ich müsste getrennt übernachten.

Im Nachhinein denke ich, ich hätte es einfach machen sollen. Je älter die Kinder wurden, desto anstrengender wurde es – das hatte ich nicht eingeplant. Es gibt Momente, da würde man am liebsten wieder Radprofi ohne Kinder sein. Das Leben als Profi ist ein geiles Leben – frei, klar strukturiert. Kinder bringen dich da erstmal raus. Der Spagat zwischen Familie und Hochleistungssport ist extrem fordernd. Aber: Ich liebe meine Kinder – sie haben mir in schweren Zeiten auch enorm viel Kraft gegeben. Und manchmal die nötige Lockerheit. Ich bin einfach dankbar, wie alles gekommen ist.


Seit über 10 Jahren gehörst du zu den Top 40 der UCI-Weltrangliste. Was ist dein Geheimnis?

Ein richtiges „Geheimnis“ gibt es wohl nicht. Ich denke, das Wichtigste ist, die Motivation langfristig hochzuhalten – das gelingt nur, wenn man Pausen zulässt und auf den Körper hört. Ich liebe den Radsport. Für mich war Radfahren immer ein Gefühl von Freiheit – seit meiner Kindheit. Es ist mehr als nur Leistung. Es ist Natur, Unabhängigkeit, Ablenkung, Geschwindigkeit, Technik.

Mit der Zeit kamen dann die sportlichen Ziele, der Wunsch nach Selbstoptimierung. Ich habe mich immer mehr mit Biochemie, Mentaltraining und Körperprozessen beschäftigt – das wurde richtig spannend. Ich habe auch eine Ausbildung im mentalen Bereich gemacht und den Heilpraktiker und arbeite nun schon länger auch mit Sportler:innen daran. Man lernt: Je mehr man weiß, desto mehr Fragen tun sich auf.

Aber entscheidend ist: Auf sich selbst zu hören, sich nicht zu sehr von außen unter Druck setzen zu lassen – weder von Verbänden noch von irgendwelchen Normen. Bodenständigkeit, Eigenverantwortung und Kämpfergeist haben mir dabei sehr geholfen.

Was sind deine Plannen für den kommenden Winter?

Nach der WM habe ich meinen Rücktritt bekannt gegeben. Mein Heimrennen habe ich als Abschluss genommen. Ob ich noch bei ein paar PR-Rennen mitfahre, weiß ich nicht – vielleicht, wenn ich Lust habe. Die letzten zwei Jahre waren sehr chaotisch, und ich musste vieles in meinem Leben neu ordnen.

Ich habe mir im Sommer bewusst Zeit für meine Kinder genommen. Und durch eine Verletzung bei einer Kinderrunde mit meiner Tochter musste ich ohnehin kürzertreten. Ohne gute Vorbereitung Rennen zu fahren, macht für mich keinen Sinn – das wäre weder fair noch erfüllend.

Ich habe in der Zwischenzeit meine Trainerausbildung A begonnen und will mein Wissen weitergeben. Ich freue mich, wenn neue Talente nachkommen und ich sie begleiten kann.

Was ist deine schönste Erinnerung im Cyclocross?

Definitiv die WM in Valkenburg. Es war eine totale Schlammschlacht – eigentlich mehr Laufen als Fahren. Ich bin aus der letzten Reihe gestartet, habe aber noch Platz fünf geholt. Das war kurz nach meiner zweiten Schwangerschaft. Niemand hat geglaubt, dass ich so stark zurückkommen würde. Mein Handy war kaputt, ich hatte keinerlei Ablenkung – nur meine Kids und meinen Sport. Es war ein intensiver, reiner Moment. Ich hätte gerne noch an diese Form angeschlossen, aber mit zunehmender Familienverantwortung war das nicht mehr so einfach.

Viele erfolgreiche Straßenfahrer:innen haben eine Cyclocross-Vergangenheit. Ist das ein guter Einstieg?

Absolut! Ich war immer überzeugt davon, dass Multisport wichtig ist. Ich bin viel gelaufen, geschwommen, auch Mountainbike gefahren. Mein Einstieg ins Cyclocross kam über die Straße – und später half mir Cyclocross enorm bei der Fahrtechnik. Als Kind hieß es immer, ich sei bergab zu langsam. Nach meiner Beruflichen Pause nach der Juniorinnen Zeit (2003) bin ich dann 2008 auf das MTB gewechselt. Das war fahrtechnisch sehr herausfordernd und brauchte viel Mut. Doch dafür wurde ich im CX und auf der Strassere viel besser. Und jetzt habe ich nur noch im MTB hürden, jedoch ist die Entwicklung dahingehend auch sehr extem geworden.

Cyclocross bringt VO₂max-Training, Kraft, Technik – ideal für den Winter. Klar, die Reisestrapazen können anstrengend sein. Aber für mich war es immer die beste Sportart überhaupt. Wäre sie olympisch gewesen, hätte ich mich ganz darauf konzentriert.

Wie hast du den Sport entdeckt?

Ich bin schon immer gerne Rad gefahren – vor allem mit meinem Papa. Mein Einstieg ins Cyclocross war eher zufällig. Nachdem ich meine ersten Straßenrennen gefahren war, kam ich in den Verband und bin dann im Winter bei den Jungs einfach mitgefahren – mit dem Mountainbike, bei Schnee und Matsch. Mein erstes Rennen war in Wangen – bitterkalt, aber ich hatte total Spaß.

Damals gab es keine Mädchenrennen im Crossbereich. Als Juniorin durfte ich nicht zur WM – die gab es nur für Frauen. Als ich dann 2008 ins Mountainbike gewechselt bin, habe ich Cyclocross wieder in den Winter integriert. Mein früherer Trainer, Wolfgang Ruser, der später Bundestrainer wurde, hat mich sehr geprägt – genau wie Udo Kolross. Beide haben mich gefordert, aber auch gefördert. Ihnen verdanke ich sehr viel.


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